Mörderische Geschäfte – „MAN ist stolz“

Mörderische Geschäfte – „MAN ist stolz“

Oft gab es in den letzten Wochen Berichte über die anhaltenden Proteste im fernen Myanmar, die von der Militärjunta mit aller Gewalt bekämpft werden. Einige hundert Menschen wurden erschossen, zehntausende verletzt und inhaftiert. Hierzulande gibt man sich erschüttert und empört. Bundestagspräsident Schäuble verurteilte den Militärputsch und die grüne Abgeordnete Bause sah es im Bundestag als „unsere Aufgabe, dass wir uns an die Seite dieser mutigen Menschen stellen und sie mit all unseren Möglichkeiten unterstützen.“ Auch wenn das realpolitisch nicht ernst gemeint war und man lediglich die Ausweisung des Militärattachés ins Auge fasste, bekamen es die Demonstranten in Myanmar doch mit einem speziellen Verständnis deutscher Anteilnahme zu tun. Wie das?

SINOTRUK – diese Antwort findet sich auf den Markennamen der Militär-Laster, mit denen die Soldaten transportiert werden, um teilweise gezielt auf die unbewaffneten Demonstranten zu schießen, und mit denen die Verhafteten abtransportiert werden.[1] Die LKWs von SINOTRUK bilden schon seit Jahrzehnten ein logistisches Rückgrat für die Einsätze des Militärs in Myanmar gegen die eigene Bevölkerung. Hergestellt und geliefert werden die Militärlaster von dem führenden chinesischen Produzenten für schwere LKW, eben SINOTRUK.

Unterdrückung – sportlich betrachtet

Und hier kommt die spezielle deutsche Anteilnahme ins Spiel: Schon 2009 hatte sich der deutsche MAN-Konzern[2] mit mehr als einer halben Milliarde Euro einen Anteil von 25 % plus einer Aktie, die eine Sperrminorität sichert, bei SINOTRUK eingekauft.[3] Neun Jahre später wird das lukrative Geschäft noch ausgeweitet und der MAN-Chef jubelt: „Wir sind sehr stolz auf unsere gemeinsame Erfolgsgeschichte mit SINOTRUK. Seit fast einem Jahrzehnt ist diese Partnerschaft für beide sehr gewinnbringend.“[4] Vor allem für den VW-Konzern, der über seine Traton-Holding 94 % der Anteile an MAN besitzt. VW weiß eben, wo und wie sich hohe Profite erwirtschaften lassen. So ist der Konzern über seine MAN in China nicht nur an SINOTRUK beteiligt, sondern betreibt ein eigenes Werk ausgerechnet in der chinesischen Region Xinjiang, in der die Uiguren mit Umsiedlungslagern und Zwangsarbeit um ihre Bürger- und Menschenrechte gebracht werden. 25 solcher Lager befinden sich in der Nähe des VW-Werkes. Aber davon ist dem VW-Boss Herbert Diess „nichts bekannt“.[5] Im VW-Werk selbst würden auf einem hohen sozialen Standard die Menschen- und Arbeitnehmerrechte selbstverständlich gewahrt. Wer´s glaubt, kann mit einer VW-Aktie selig werden.

Aber VW, MAN und SINOTRUK sind nicht die einzigen deutschen Unternehmen, die mit der Militärjunta in Myanmar ihre einträglichen Waffen-Geschäfte machen.[6] Schon seit vielen Jahrzehnten ist die Waffen- und Maschinenfirma Fritz Werner im Geschäft, die sich blendend mit dem Militärdiktator Ne Win verstand, der sich 1962 an die Macht geputscht hatte, und mit seinen Nachfolgern. General Ne Win besuchte häufig die Fritz-Werner-Zentrale in Geisenheim und wurde zu einem guten Freund.[7] Auch wenn die Regimes und Regierungsformen in Myanmar wechselten: Waffen, Munition und das mörderisch gut bewährte G3-Gewehr Made in Germany wurden und werden immer gebraucht.[8]

Das Geschäft mit Unterdrückung und Tod hat Tradition: Wie fast alle großen und kleinen deutschen Rüstungsunternehmen hatten auch Fritz Werner und MAN, die damals zur Gutehoffnungshütte (GHH) gehörte, enge Beziehungen zum Nazi-Staat und profitierten gleich doppelt von Aufrüstung und Krieg. Zum einen lieferten MAN/GHH der Wehrmacht Panzer, Zylinder für Geschosse, Geschütze und U-Boot-Dieselmotoren, aller Art.[9] Zum anderen mussten Tausende von Zwangsarbeitern und Hunderte KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen für MAN arbeiten. Das alles ist umfassend dargestellt in einer Studie, die 2008 von MAN zum 250jährigen Firmenjubiläum veröffentlicht wurde. Sogar das Mangermagazin veröffentlichte Auszüge unter dem Titel „Licht und Schatten“. [10] Alles klar: Da gab es zwar 12 Jahre „Schatten“, welch höhnische Umschreibung für Ausbeutung und Mordsgeschäfte! Aber was sind schon 12 Jahre „Schatten“ in einer Geschichte von 250 Jahren „Licht“, die bis heute andauert? Wie so oft dient das späte und kosten- und folgenlose Eingeständnis der eigenen Nazi-Geschichte vor allem der Selbstentschuldung, um so frei von Skrupeln weiter und neu Geschäfte zu machen mit Regimes, Diktaturen und Putschisten aller Couleur, wenn sie nur gut bezahlen können. Das setzt allerdings die ungehinderte Ausbeutung der eigenen Bevölkerung voraus. Und dafür braucht man wieder Militärlaster und Waffen, gern auch Made in Germany. Ein Teufelskreis.

Gibt es kein Entrinnen? Muss es immer so weitergehen, wie es immer schon war? Bleibt nur noch ein trauriges und leicht beschämtes Achselzucken? So leicht sollten wir es uns nicht machen. In Hamburg wurde vor kurzem die „Volksinitiative gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen“ gestartet. Sich informieren und unterschreiben kann jede Hamburger Bürgerin hier. Diese Initiative kann zwar nicht den Geldfluss zwischen MAN, SINOTRUK und der Militärjunta in Myanmar verhindern, aber doch den Transport von Waffen erschweren. Und sie kann dem Hamburger Senat und der aktuellen und der zukünftigen Bundesregierung demonstrieren, dass ihre Beschwörung von Menschenrechten mit jedem Euro Gewinn aus den deutschen Waffengeschäften lächerlicher wird.

Und wie wäre es, wenn Kirchenmitglieder ihre Kirchen, Gewerkschaftsmitglieder ihre Gewerkschaft, Kulturleute ihre Theater und SPD- und Grüne-Parteimitglieder ihre Parteien mit dem Protest gegen die skrupellosen Geschäfte von MAN, VW, Fritz Werner etc. und gegen die Duldung und Förderung dieser Geschäfte nerven?  Damit würden wir das tun, was die protestierenden Menschen in Myanmar selbst von uns erwarten. Die Informationen über SINOTRUK und MAN kamen von „Justice for Myanmar“, einer Gruppe mutiger Menschen, die sich auf ihrer Website www.justiceformyanmar.org so vorstellen: „Wir sind eine verdeckte Gruppe von Aktivisten, die sich der Verbesserung des Lebens aller Menschen in Myanmar verschrieben haben. Wir haben begonnen, die systemischen Ursachen von Ungleichheit, Gewalt, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzudecken.“  Solidarität beginnt mit Aufklärung, vor allem über die eigene Mitverantwortung für das, was in Myanmar geschieht.

 

[1] https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/wirtschaft/myanmar-was-man-mit-den-trucks-des-militaers-zu-tun-hat-e980887/

[2] ehemals Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg

[3] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-636312.html

[4] https://www.volkswagenag.com/de/news/2018/09/TRATON_Sinotruk.html.   Mehr hier: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/teil-uebernahme-von-sinotruk-man-steigt-gross-in-china-ein-1827252.html

[5] Mehr Informationen hier: https://www.merkur.de/wirtschaft/jan-boehmermann-vw-zdf-magazin-royale-show-diess-china-volkswagen-xingjiang-wolfsburg-zr-90101897.html

[6] https://www.spiegel.de/wirtschaft/myanmar-wie-deutsche-firmen-direkt-und-indirekt-die-junta-unterstuetzen-a-a6068ed4-0002-0001-0000-000176983009

[7] https://www.zeit.de/2013/16/myanmar-militaerjunta-waffenfirma-fritz-werner/komplettansicht

[8] Auch die kurze Phase der Demokratie mit der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi als Regierungschefin und Außenministerin änderte daran wenig. Es ist davon auszugehen, dass auch bei der Vertreibung der Rohingya Militärlaster von Sinotruk eingesetzt wurden.

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/MAN. Zur GHH gehörte auch die „Deutsche Werft“ in Hamburg, die ebenfalls mit der Ausbeutung von Zwangsarbeitern große Gewinne machte: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Werft

[10] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-564363.html   und hier: https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-564622.html

 

Bildquellen

  • Bürgerkrieg sportlich: Montage: tc_Michael Jarmoluk und Dariusz Sankowski von pixabay
  • gayatri-malhotra-C0hr6kIR_kE-unsplash: Photo by Gayatri Malhotra on unsplash
  • gayatri-malhotra-RIu4W3BC99A-unsplash: Photo by Gayatri Malhotra on unsplash

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