Protest am Stadthaus: Würdigung des Hamburger Widerstands gehört ins Stadtzentrum
Vor vier Jahren, im Mai 2018, präsentierten der Hamburger Kultursenator Brosda und der Immobilieninvestor Quantum als damaliger Eigentümer der Stadthöfe einen Vorschlag für eine aus ihrer Sicht angemessene Erinnerung an die Bedeutung des Stadthauses als früherer Zentrale des Naziterrors in Hamburg: 70 Quadratmeter geschichtlicher Information eingebettet in eine Gesamtfläche von 300 Quadratmetern mit Buchhandlung und Café. Eine Buchhändlerin wurde damals mit der Betreuung und Organisation beauftragt. Mit dieser Regelung wurde der 2009 zwischen Stadt und Quantum geschlossene Vertrag missachtet, in dem noch eine Fläche von 750 Quadratmetern als „Lernort“ vereinbart worden war. Dagegen protestierten zahlreiche erinnerungspolitische aktive Gruppen und viele Persönlichkeiten, bislang vergebens (Siehe dazu auch hier und hier.). Heute aber ist klar, dass dieses maßgeblich von kommerziellen Interessen geleitete „Experiment“ gescheitert ist, leider nicht an selbstkritische Einsicht der Verantwortlichen, sondern durch schlichte Insolvenz der Buchhandlung. Damit ergibt sich die Möglichkeit, diese vielen Fehler des Senats zu korrigieren und den ursprünglich geplanten Lernort in öffentlicher Verantwortung und in der ursprünglich geplanten Größe zu realisieren.
Dieser Forderung wurde am 18. März mit einer gut besuchten Kundgebung Nachdruck verliehen. Ulrich Hentschel eröffnete diese Kundgebung mit folgenden Gedanken:
“Eines können wir heute bei dieser Kundgebung an diesem Ort nicht übergehen: Wir sind uns alle einig in der Ablehnung des Krieges der Putin – Autokratie gegen die Ukraine Und in der Forderung, diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden. In der Frage, wie dieser Krieg beendet werden kann und was dazu erforderlich ist auch aus unserer Stadt und unserem Land, sind wir uns vermutlich nicht einig.
Aber es gibt doch ein historisches Wissen und eine Erkenntnis, die uns hier am Stadthaus verbinden sollte: der Nationalismus ist eine Ideologie, ein Irrglauben, der Hass, Verfolgung und Krieg rechtfertigt und Gewalt befeuert. Hier am Stadthaus erinnern wir daran, welch mörderische Auswirkungen der deutsche Nationalismus, gepaart mit Antisemitismus und Rassismus, hatte.
Wir erinnern aber auch daran, dass Frauen und Männer sich dem widersetzten und Leib und Leben für den Widerstand riskierten. Diesen Menschen sehen wir uns verpflichtet. Ihren Kampf zu dokumentieren und zu würdigen halten wir für eine zentrale erinnerungspolitische Aufgabe auch hier in Hamburg. Zentral heißt, dass diese Dokumentation im Zentrum der Stadt und in Konfrontation mit der Gestapo- und Polizeizentrale präsent sein muss.
Wir wissen aber, dass die Koalitionsparteien SPD und Grüne vereinbart haben, entgegen früherer eigener Erkenntnisse und Ankündigungen dem Widerstand nicht hier im oder am Stadthaus, sondern in Fuhlsbüttel im früheren „Kolafu“ Räume zu widmen. Darum wird es einiger Anstrengung bedürfen, den Kultursenator und seine Fraktionen zu einer Umkehr zu bewegen und nicht schon wieder gegen die eindeutigen Forderungen der Verfolgtenverbände und vieler anderer erinnerungspolitisch Initiativen dieser Stadt zu agieren. Herr Brosda, lassen Sie Ihren stets schönen Worten gute Taten folgen und kämpfen Sie in Senat und Bürgerschaft mit Zivilcourage für das erforderliche Geld, von dem es in Hamburg genug gibt.”
Sehr lesenswert dazu auch die Beiträge der Hamburger Morgenpost und der taz hamburg vom 17.3.2022.
Bildquellen
- UH bei Kundgebung Stadthaus: Dirk Seifert
- Älteres Foto Kundgebung Stadthaus: Dirk Seifert
- Kundgebung Stadthaus 18.03.2022: Dirk Seifert
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