Rückwärts und schnell vergessen: Hamburgs Bismarck strahlt und bleibt unantastbar

Rückwärts und schnell vergessen: Hamburgs Bismarck strahlt und bleibt unantastbar

Welche Bedeutung wird der Politik und der Person des Reichskanzlers Otto von Bismarck heute in Hamburg gegeben? Schon seit einigen Jahren wird diese Frage kontrovers diskutiert und beantwortet. Noch weitgehend unbeachtet war die Entscheidung des Hamburger Senats geblieben, das weltgrößte Bismarck – Denkmal im Zentrum der Stadt aufwendig zu renovieren und den kleinen Park zu seinen Füßen neu zu gestalten. Knapp 15 Millionen € kamen fast überraschend zur Hälfte aus dem Bundes-Etat, die andere Hälfte musste Hamburg dann beisteuern. Es hatte zwar schon lange Kritik an diesem Denkmal gegeben, unter anderem vom „Arbeitskreis Hamburg Postkolonial“. Aber erst mit dem Beginn der Renovierung 2020 wurde der Protest so stark, dass er vom Senat nicht mehr übergangen werden konnte. Beflügelt wurde der Protest auch von den weltweiten Attacken und Veränderungen an kolonialen Denkmälern.

Wie könne, so wurde gefragt, mit dem Reichskanzler Otto von Bismarck ein Mann weiterhin geehrt werden, der mit blutigen Kriegen den Weg zur deutschen Einigung unter einem deutschen Kaiser bereitete, der nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche einerseits manche Sozialgesetze auf den Weg brachte, gleichzeitig aber massiv gegen die Sozialisten vorging, und der bei der sogenannten „Kongo-Konferenz“ zwecks effektiver Ausplünderung und Beherrschung den afrikanischen Kontinent gemeinsam mit den anderen Kolonialmächten wie einen Kuchen aufteilen ließ. Und der schließlich mit der Demokratie so wenig am Hut hatte wie ein Hering mit einem Fürsten aus dem Sachsenwald.

Es wäre also naheliegend gewesen, die angesichts dieser Fragen breit aufbrechende Diskussion zu respektieren und die Sanierung der heroischen Bismarck-Figur zu unterbrechen, wie von den KritikerInnen gefordert. Aus ihren Reihen gab es eine Fülle von Ideen und Vorschlägen für die Kontextualisierung. Sie reichten vom Abriss des Denkmals über seine Dekonstruktion bis hin zu nächtlichen Projektionen. Das aber rief die Befürworterinnen des Denkmals auf den Plan: Der vornehme Theo Sommer sprach in der ZEIT von „Abrissterroristen“. Professor Lappenküper, Chef der staatlichen Bismarck-Stiftung, verfiel gleich in die Kriegsrhetorik: „wegzubombardieren, wegzusprengen“ sei keine Alternative. Hamburgs Kultursenator verwahrte sich noch jüngst dagegen, „Denkmäler zu schleifen“. Das war hart, aber nicht fair. Dennoch konnte man sich keinen besseren Geschichts- und Politikunterricht vorstellen als diese öffentlich ausgetragene Kontroverse. Aber es zeigte sich bald, dass ein ergebnisoffener Diskussions- und vor allem Entscheidungs-Prozess nicht erwünscht war. Hamburgs Regierung und ihr Kultursenator folgten vielmehr dem Prinzip, mit dem sie sich auskennen: Top-down statt Bottom-up. So wurde die Bismarck-Aufhübschung weiter vorangetrieben. Gleichzeitig lud die Kulturbehörde zu einer zeitlich auffällig gestreckten Reihe von Veranstaltungen ein, auf denen KünstlerInnen aus aller Welt ihre Projekte und mögliche Ideen zum Bismarck vorstellen durften. Aber erst jetzt im Januar 2023 wurde die Ausschreibung für eine ergänzende Gestaltung des Denkmals von der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) gemeinsam mit der Kulturbehörde veröffentlicht, Motto: „Bismarck neu denken“. Das klingt gut, ist aber wohl nicht so ernst gemeint. Denn die Ausschreibung enthält neben einem durchaus kritischen Blick auf die Gestalt des Reichsgründers einige bemerkenswerte Details, die die weniger von einem neuen Denken als vielmehr vom faktischen Festhalten am alten Monument zeugen.

So sind über das große Gewölbe im Sockel des Denkmals, das durch die Ausschmückung mit zahlreihen völkischen Runen und Hakenkreuzen zu einem kleinen Nazi-Tempel geworden ist, nur ein Halbsatz und ein kleines Foto zu finden Warum wird der Umgang mit diesem wesentlichen Bestandteil des Denkmals im Wettbewerb ausgeblendet? Soll alles so bleiben, wie es war?

Dagegen werden die Grasflächen der Grünanlage rund um das Denkmal ausführlich beschrieben und als Gestaltungsort für die künstlerische Intervention ausdrücklich nahegelegt. Das Ergebnis ist absehbar: Oben strahlt Bismarck, unten gibt es eine Spielwiese für Kritik.

Aber vor allem, so legt es die Ausschreibung fest, darf das 35 Meter hohe Denkmal nicht angetastet werden. Hamburgs Kultursenator macht klar: „Der Bismarck selber ist ein Denkmal, und ist geschützt. Insofern geht es auch nicht darum, den Bismarck in seiner Substanz zu verändern. Es geht auch nicht darum, den Bismarck zu ummanteln oder was ich da alles von hübschen Sachen gelesen habe.“ [1] Solche „hübschen Sachen“ waren allerdings ausführlich in der vom Kultursenator selbst verantworteten Veranstaltungsreihe präsentiert worden, wie zum Beispiel die Ummantelung von Kolonialdenkmälern mit einheimischen Stoffen oder eine langsam das Denkmal zuwuchernde Begrünung. Alles Pillepalle, macht sich der Senator nachträglich lustig. Kommt natürlich nicht infrage, ist ja Denkmalschutz. Und im Falle des Monster- Bismarck will man sich auch daran halten, es geht ja nicht um ein neues Einkaufszentrum. Mit dem Senatoren-Diktum von der Unberührbarkeit des Denkmals sind viele der in den letzten beiden Jahren eingebrachten Ideen vom Tisch, wie zum Beispiel die, das gesamte Denkmal schräg zu stellen, oder es mit Stacheldraht einzuzäunen, oder es zu dekonstruieren durch die Abnahme des Kopfes und dessen Präsentation unten zu Füßen des Denkmals (vom Autor dieses Beitrags angeregt). Auch ein Vorschlag wie der, das Denkmal einfach verfallen zu lassen als anschauliches Symbol für die zunehmende Bedeutungslosigkeit des alten Reichskanzlers, ist vom Wettbewerb ausgeschlossen. Dabei hatte es doch vor zweieinhalb Jahren einmal so gut angefangen mit der Ankündigung von Carsten Brosda „Ich hätte eine große Sympathie für einen künstlerischen Wettbewerb, der danach fragt, wie man das Denkmal konterkariert. Ob ich das am Bismarck oder mit ihm mache, müssen wir dann diskutieren.“ Leider hatte er nicht.

Um der Ausgewogenheit Genüge zu tun, soll abschließend jedenfalls eine der positiven Reaktionen auf das Engagement des Kultursenators wiedergegeben werden: Aus einer Gruft im nahen Friedrichsruh hebt sich langsam grüßend eine Fürstenhand. „Chapeau“, so raunt es leise, „mir diese Ehre zu erweisen, lieber Herr Hamburger Kulturminister, das zeigt doch eine zwar späte, aber wertvolle Anerkennung. Denn gerade Euch Sozialdemokraten hätte ich das gar nicht zugetraut. Aber in aller Bescheidenheit: ohne mein Verbot Eurer Vorgängerpartei wäret ihr vermutlich nicht zu dieser Einsicht gekommen. Doch jetzt freut und ehrt es mich gleichermaßen, dass ihr mein Denkmal in eurer Stadt wieder so zum Strahlen gebracht habt. Auch die Getreuen, die mir bisweilen mit ihren Fackeln und Ehrerbietungen die Füße gewärmt haben, werden sich freuen. Nun ja, die angekündigten „kritischen künstlerischen Interventionen“ zu meinen Füßen sind zwar nicht schön und gerecht, müssen aber wohl sein. Doch sie werden ja nur meinen Sockel verunzieren, sodass ich sie gar nicht sehen kann, ich stehe ja darüber. Und aus Erfahrung weiß ich, dass gewisse Proteste meinem Ruf eher förderlich sind. Jedenfalls solange sie nicht ins Grundsätzliche gehen und nur von kleinen Kaiser-, pardon Reichs-feindlichen Außenseitern betrieben werden. Das aber werdet ihr gewiss nicht zulassen, lieber Herr Minister. Schon sehr klug, wie ihr dieses ganze Verfahren betreibt. Respekt, Respekt! Und das das alles in einer Demokratie geht, erstaunlich, erstaunlich. Große Genugtuung empfinden wir auch darüber, dass Sie meinem alten Widersacher, dem Obersozi August Bebel, in seiner Heimatstadt kein Denkmal gesetzt habt. Das zeugt von historischer Verantwortung.“ Nach einigen weiteren eher brummelnden Anmerkungen des alten Reichskanzlers ist der letzte Satz wieder deutlich zu verstehen: „Wenn ich Sie bald einmal in meine fürstliche Brennerei zu einer Herren-Runde mit einem Gläschen edlen Korn einladen darf, wäre ich Ihnen sehr gewogen.“

[1] https://www.deutschlandfunkkultur.de/bismarckdenkmal-in-hamburg-die-standpunkte-vor-beginn-des-ideenwettbewerbs-dlf-kultur-5bb09e9d-100.html

 

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