Weltgrößter Bismarck strahlt weiter –   Hamburgs Rot-Grüne Regierung hat sich mit einem Wettbewerb gründlich blamiert

Weltgrößter Bismarck strahlt weiter – Hamburgs Rot-Grüne Regierung hat sich mit einem Wettbewerb gründlich blamiert

Hamburg, nicht zu Unrecht und historisch angemessen als Stadt der Pfeffersäcke bekannt, ist stets um höchste Plätze in allen denkbaren Rankings bemüht. Das klappt nicht immer. So spielen seine zwei Fußballvereine (HSV und St.Paulis) nur in der 2.Liga und sind vom Deutschen Meister-Titel Lichtjahre entfernt. Aber es gibt auch Erfolge: Welche Stadt kann sich schon rühmen, fast eine Milliarde Euro größtenteils aus Steuergeldern buchstäblich in den Elbschlick-Sand versenkt zu haben ? Grund war das Bemühen des damaligen Bügermeisters Olaf Scholz um Chinas Großcontainer-Schiffe, sozusagen ein einfacher Wumms, der Hamburg im Ranking der Geldverschwendung weit nach oben katapultiert hat.
Über die Wertung dieser und anderer hanseatischer Meister-Leistungen mag man geteilter Meinung sein, in einem aber ist Hamburg unbestreitbar weltweit Nummer eins, und das seit 117 Jahren: Im Zentrum der Stadt zwischen Millerntor und Landungsbrücken erhebt sich mit 34 Metern Höhe das weltgrößte Bismarck-Denkmal. Initiiert und finanziert wurde es vor allem von den Hamburger Kolonialherren und -Profiteuren, die allen Grund für ihre Bismarck-Verehrung hatten. Bismarcktürme überall im deutschen Land, Bismarkstrassen in allen deutschen Städten, Bismarckfeiern und Bismarck-Karten – das musste einfach überboten werden. Gewerkschaften und Sozialdemokratie protestierten damals noch, aber es nützte wenig. Für die politische Rechte in all ihren Auswüchsen, die Antidemokraten in der Weimarer Republik und dann bald für die NSDAP wurde der Bismarck-Koloss zu einem Kultort mit prachtvollen Aufmärschen, einfach glanzvolle Zeiten.
Nun könnte man meinen, dass sich die Hamburger Politik mit der Befreiung 1945 auch von ihrer Bismarck-Verehrung befreit hätte. Aber weit gefehlt. Die englischen Alliierten wollten den Klotz noch sprengen, mussten aber vor dem Einspruch Hamburger Bismarck-Fans kapitulieren. Der nächste Versuch kam aus der Stadt selbst, als man das Bismarckdenkmal zugunsten der Internationalen Gartenbauausstellung 1963 beseitigen wollte. Erst gut drei Jahrzente später wurde Bismarck durch eine ebenso kluge wie witzige Aktion für einige Tage ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Am 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereingung, war des Reichskanzlers Haupt mit einer Maske des Bundeskanzler Kohl-Kopfes aktualisiert worden. (Zu der Geschichte gibt es ein schönes Buch von Stephanie Barth.) Die eher harmlose und witzige Platzierung eines Steinbocks auf dem Haupt des deutschen Reichsgründers 2015 wurde dagegen behördlich genehmigt und finanziert.Nur im Sockel des Reichkanzlers blieb es muffig, wozu vor allem die völkischen und Nazi-Runen bis heute beitragen.
Indes war der Bismarckriese über all die Jahre grau geworden und bekam nur durch einige Graffitis etwas Farbe. Wirklich keine Freude für die Freunde der Bismarck-Tradition. Das empfanden auch zwei in Finanzfragen gewiefte Hamburger Bundestagsabgeordnete (SPD und CDU) ganz ähnlich und beschafften in einer Überraschungsaktion knapp 10 Millionen Euro für die Sanierung und Aufhübschung des Bismarck-Monuments. Auch wenn es in der rot-grünen Regierungskoalition einige Bauchschmerzen gab, wollte man gut hanseatisch auf so viel Geld nicht verzichten. 2020 wurde das Denkmal verhüllt und das große Kärchern, Putzen und Verputzen begann.
2020 war auch das Jahr der weltweiten Black Lives Matter-Bewegung mit ihren zahlreichen Aktivitäten gegen die Denkmäler von Kolonialisten und Rassisten. In Hamburg gab es gleich mit dem Beginn der Renovierungsarbeiten zahlreiche Proteste mit der Forderung, die Sanierungsarbeiten zu stoppen und über eine notwendige Umgestaltung oder sogar den Abriss eine breite gesellschaftliche Debatte zu führen. Inhaltlich ging es dabei zuerst um die Rolle des Reichskanzlers Bismarck, der vor allem mit der Kongo-Konferenz 1884/85 die Grundlagen für die deutsche Kolonialpolitik mit ihren brutalen und rassistischen Handlungen bis hin zum Völkermord an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika schuf. Aber auch Bismarcks gegen die SPD gerichteten Anti-Sozialisten-Gesetze, seine antipolnisch-katholischen Aktivitäten, seine Verachtung demokratischer Bewegungen wurden debattiert. Dabei wurde schnell klar, dass das heroische Bismarck-Denkmal einer starken und seine Ausstrahlung störenden Umgestaltung bedarf. Das sah damals auch Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) so und kündigte einen künstlerischen Prozess an. Ziel sei es, diesen parallel zu den Sanierungsmaßnahmen zu verfolgen und nicht nacheinander nach dem Muster: „Erst machen wir ihn ein bisschen hübsch und wenn er dann wieder steht, fangen wir an, darüber nachzudenken.” Nun, nachgedacht hat man, und diskutiert und Vorträge angehört, am Ende aber hat der Kultursenator fast zwei Jahre bis zur Ausschreibung eines internationalen Wettbewerbs zur Umgestaltung des Denkmals verstreichen lassen. Diese Verzögerung reichte, um den grauen Bismarck-Koloss nicht nur ein bisschen aufzuhübschen, sondern wie einen Weißen Riesen strahlen zu lassen, stärker noch als bei seiner Einweihung.

Gleichzeitig wurden die Forderungen der Basis-Initiativen, an der Formulierung des Ausschreibungstextes beteiligt zu werden, kalt ignoriert. So konnte der Kultursenator ohne erkennbaren Widerspruch den Bismarck-Koloss selbst für unantastbar erklären, weil er unter Denkmalschutz steht. Viel beachtete Ideen, wie zum Beispiel die Bismarckfigur schräg zu legen oder durch die Abnahme des Kopfes zu dekonstruieren (wie vom Autor vorgeschlagen), waren damit vom Tisch. Dabei gibt es in Hamburg etliche Beispiele dafür, dass der Denkmalschutz für wirklich schönere Gebäude als das Bismarck- Denkmal außer Kraft gesetzt wurde, um Abrisse und Neubebauung vornehmen zu können.

Jury kapituliert vor Komplexität und „topographischen Gegebenheiten“
Was konnte bei dieser massiven Einschränkung der Kunstfreiheit also noch herauskommen beim Wettbewerb? 76 Entwürfe wurden eingereicht. Am Ende aber wurde keiner ausgewählt, weil, so die Jury, „durch eine einzelne künstlerische Intervention die Aufgabe in ihrer Komplexität und mit all ihren Facetten nicht erfüllt wurde“. Diese Begründung erinnert an Schulaufgaben, die so komplex und kompliziert formuliert sind, dass auch die beste Schülerin daran scheitern muss. Das hat man vorher nicht wissen können? Skurril ist zudem die Begründung, dass erst „der Wettbewerbsprozess deutlich gemacht (hat), dass auch die topographischen Gegebenheiten besonders schwierige Herausforderungen darstellen würden.“ Haben die ehrenwerten und klugen Mitglieder der Jury einfach vergessen, dass sich das Bismarckdenkmal auf einer Anhöhe befindet? Ist das der „wichtige weiterführende Erkenntnisgewinn“, für den Christina Weiss, einige Jahrzehnte zuvor Hamburger Kultursenatorin, der von ihr geleiteten Jury dankt? Kaum zu glauben. Denn leider verrät sie nicht, worin dieser „weiterführende Erkenntnisgewinn“ sonst bestanden haben könnte. Nach den vollmundigen Ankündigungen und all dem Aufwand lässt sich das Jury – Ergebnis einfach in dem alten römischen Sprichwort zusammenfassen: „Der Berg kreißte und gebar eine Maus“. Kultursenator Brosda, dem von der Jury mit ihrer Entscheidung eine heftige Klatsche verpasst worden ist, reagiert entsprechend und gegen seine Art wortkarg. Er halte das Ergebnis für „bedauerlich“. Das ist verständlich, denn mit Unterstützung der Regierungs-Fraktionen hatte er 250.000 Euro für den Wettbewerb locker gemacht. Außer Spesen also nichts gewesen?
Auffällig still ist die Reaktion der Hamburger Parteien auf dieses peinliche Ergebnis des Wettbewerbs. Von den Regierungsparteien SPD und Grünen war erstmal gar nichts zu hören. Sie mögen den Bismarck zwar nicht, aber noch weniger mögen sie es, die teure Aufhübschung des Denkmals als Fehlentscheidung einzugestehen. Die CDU macht ein bisschen in Opposition, indem sie mit einem gewissen Recht die Geldverschwendung anprangert. Sie unterlässt es aber tunlichst, einen eigenen Vorschlag für die Umgestaltung des Bismarckdenkmals zu machen. Warum auch? Die Konservativen brauchen den Bismarck-Koloss, um sich geschichtspolitisch daran aufrichten zu können. Darum dürfte trotz des hohen Preises das Scheitern des Wettbewerbs und die denkmalerische Rettung des ersten deutschen Reichskanzlers ganz in ihrem Sinne sein. Auch der AFD dürfte das gefallen, hatte sie doch schon vor zwei Jahren gefordert: „Bismarck bleibt!“ Ihr kulturpolitischer Sprecher, Alexander Wolf, der aus seiner Sympathie für den deutschen Kolonialismus keinen Hehl macht und die „These vom Völkermord in Deutsch-Südwest“ für absurd und für „Quatsch“ hält, kann sein Glück kaum fassen. Sein Bismarck -Heros bleibt tatsächlich. So können auch die Burschenschaften als aktivistischer Arm der AFD ihre kleinen Kundgebungen mit Fackeln, nationalem Getöse und einigen Flaschen Schnaps aus dem Hause Bismarck zu dessen Füßen abhalten.
War es das also mit der Umgestaltung des Bismarckdenkmals? Rien ne va plus? So ganz ohne Perspektive will die Jury sich dann doch nicht verabschieden. Sie „empfiehlt, in einem aufbauenden nächsten Verfahrensschritt, den Schwerpunkt auf Vermittlung und gesellschaftlichen Diskurs zu verlagern.“ Ganz abgesehen von der Frage, worauf der „nächste Verfahrensschritt“ nach dieser Null-Runde eigentlich aufbauen soll, enthält diese Empfehlung vor allem eine massive Brüskierung all der Initiativen und Menschen, die seit Jahren oder wie zum Beispiel der AK Hamburg Postkolonial seit Jahrzehnten diesen gesellschaftlichen Diskurs betreiben. Doch was verbirgt sich wirklich hinter dem allgemeinen und diffamierenden Fazit der Jury? Hamburgs Postkolonial-Professor Jürgen Zimmerer, selbst Mitglied der Jury, redet Klartext: „Es waren die Regeln des Wettbewerbs, die den Wettbewerb zum Scheitern brachten. … Es ist absurd, dass der Denkmalschutz die Grenzen der Dekolonisierung eines Denkmals festlegt, denn das bedeutet automatisch, dass die imperiale Anlage des Denkmals in Ewigkeit fortbesteht.“ Es wäre für den Kultursenator und den Senat ein leichtes, den Denkmalschutz aufzuheben und einen neuen Wettbewerb ohne Einschränkungen auszuschreiben. Gleichzeitig müsste der NATO-Draht bewehrte Bauzaun um den Denkmalsockel erhalten bleiben, auch als Symbol dafür, dass Hamburgs Erinnerungskultur noch eine Riesen-Baustelle hat. So könnte das Desaster um den gescheiterten Wettbewerb doch sein Gutes haben.

Ein kurzer Youtube-Beitrag über die Geschichte des Bismarck-Denkmals findet sich hier. Die Werbung am Anfang bitte einfach überspringen!

 

 

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