
Brot und Spiele
Schon länger angekündigt, nun, Ende Mai, mit viel Tamtam inszeniert: Auch Hamburg bewirbt sich als Austragungsort für die Olympischen Spiele, genau 10 Jahre nach dem in einem Volksentscheid abgelehnten ersten Versuch. Auch dieses Mal werden die üblichen Versprechen abgegeben: Olympia sei eine „einmalige Gelegenheit“, das Bewerbungsverfahren solle vor allem dazu genutzt werden, „um Spitzen-, Vereins-, Schul- und Freizeitsport zu stärken, infrastrukturelle und personelle Bedingungen“ und „die Bewegungs- und Sportförderung für viele Jahre und Jahrzehnte auf einem ganz neuen Level auszubauen“. Daher unterstütze Hamburg „mit großer Begeisterung und Überzeugung die deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Sommerspiele.“ „Ich bin“, so der Hamburger Innensenator, „überzeugt, dass die positiven Effekte einer Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele für alle Hamburgerinnen und Hamburger spürbar wären und unsere Stadt und unser ganzes Land enorm davon profitieren kann“. Und weiter: „In den Olympischen und Paralympischen Spielen steckt die großartige Chance, die Stadt und das Land hinter einem positiven Zukunftsprojekt zu vereinen und der Polarisierung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen.“
Nun sollte man nicht davon ausgehen, dass der Innensenator solchen Unfug selbst glaubt. Das tun vielleicht die dauerlächelnden Grünen, aber sicher kein mit allen sozialdemokratischen Wassern gewaschener Politiker. Bemerkenswert gleichwohl, dass er hier eine ins Moderne gewandelte Variante eines Herrschaftskonzepts aus der Zeit des Römischen Reiches anklingen lässt: „Brot und Spiele“.
Das passt in diesem Fall, denn der Partner, mit dem Hamburg es zu tun haben möchte, ist das Internationales Olympische Komitee (IOC). Und das hat die „Olympischen Spiele“ in den letzten Jahrzehnten zu einem durch und durch kommerzialisierten, hochgradig korruptionsaffinen Wanderzirkus entwickelt, der mit den Grundideen des Sports in etwa so viel zu tun hat wie die Formel 1 mit nachhaltiger Verkehrspolitik. Diese Enwicklung wurde unter der Führung des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach seit 2013 weiter beschleunigt. Seine Nachfolgerin ist zwar bereits gewählt, aber allzu viel Anlass für Hoffnung auf ein verändertes Geschäftsgebaren gibt es bislang nicht.
Auf solche Geschäftspartner wollen sich nun vier deutsche Bewerber einlassen und haben beim Deutschen Olympische Sportbund (DOSB) Bewerbungsunterlagen eingereicht. Die werden jetzt geprüft, ggf. nachgebessert, bis zum Frühjahr 2026 soll es dann an den vier Orten zu Volksentscheiden kommen. Nur wenn diese zu Mehrheiten führen, hat die jeweilige Bewerbung eine Chance, in die Auswahl des DOSB übernommen zu werden. Ein speziell zusammengesetztes Gremium befindet danach über die Bewerbungen und legt anschließend, so ist es aktuell vorgesehen, sein alternativloses Votum zur Entscheidung der Mitgliederversammlung vor. Die soll im Herbst 2026 stattfinden.
Nach dieser Entscheidung beginnt das Bewerbungsverfahren des IOC. Hierzu, so Johannes Aumüller in der SZ vom 27.5.2025, lehre die Vergangenheit, „dass es beim IOC traditionell nicht auf das beste Konzept ankommt. … Während früher die Versammlung aller rund 100 Mitglieder den Austragungsort bestimmte und es dabei regelmäßig zu anrüchigen Vorgängen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen kam, entscheidet jetzt faktisch ein kleiner Kreis rund um den IOC-Präsidenten. Dadurch ist das Verfahren noch intransparenter geworden. So ist sogar unklar, wann überhaupt welche Spiele vergeben werden, geschweige denn nach welchen Kriterien.“
Hinzu kommt: Für die Entscheidung des IOC gilt auch nicht mehr das für die nationale Vorentscheidung ausgearbeitete Konzept, sondern ein neues, das auf die spezifischen IOC-Anforderungen ausgerichtet sein muss. Ob die am Ende des Tages noch viel mit den Absichten zu tun haben, die jetzt ziemlich wortgewaltig von den Hamburger Funktionären intoniert werden, steht in den Sternen. Aus München, das sich ebenfalls bewirbt, kommt deshalb die Forderung nach einem zweiten Volksentscheid auf der Grundlage der tatsächlichen vom IOC gesetzten Anforderungen. Alles was bis dahin vorgelegt und zur Abstimmung gestellt werde, sei ein „wunderbar gemachtes Phantasiekonzept“, so Christian Hierneis, BUND München, gegenüber der SZ vom 30.5.2025. Gleiches gilt für Hamburg.
Das wird sehr wahrscheinlich auch auf die kalkulierten Kosten zutreffen: Zwar, so noch einmal Johannes Aumüller, beteuern die Sportfunktionäre, „dass die inzwischen niedriger ausfallen. Tatsächlich summierten sich die Kosten für die Spiele von Paris 2024 aber immer noch auf fast zehn Milliarden Euro. … Eine ähnliche Größenordnung käme wohl auch auf einen deutschen Ausrichter zu“. Neben den hohen Kosten und insb. dem Kostenrisiko werden steigende Grundstückspreise und damit verbunden auch steigende Mieten, die Auswirkungen der üblichen Knebelverträge, die insb. die Rechte der Sponsoren rigide schützen sollen, sowie die Vorrangigkeit all dieser vor anderen Investitionen zu Buche schlagen. Alles keine guten Aussichten. Und wie – last but not least – Ticketvertrieb und -preise dazu beitragen sollen, der vom Innensenator erwähnten Polarisierung entgegenzuwirken, dürfte dessen Geheimnis bleiben. Viele gute Gründe also, dafür zu streiten, dass dieser Irrsinn auch ein zweites Mal abgelehnt wird.
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