Viel Platz für rassistisches Narrativ

Viel Platz für rassistisches Narrativ


Die aktuelle Situation erinnert an die Lage vor 30 Jahren: Seit Beginn der 1990er Jahre flüchteten von Jahr zu Jahr mehr Menschen nach Deutschland und beantragten Asyl, 440.000 waren es 1992. Die Kommunen waren immens herausgefordert. Es kam zu rassistisch und rechtsradikal motivierten Anschlägen mit etlichen Toten – u. a. in Mölln und Rostock-Lichtenhagen -, wer erinnert nicht den jubelnden rechtsradikalen Mob vor den brennenden Wohnungen in Rostock?  Unter dem Druck rechter Medien und Parteien verständigten sich Vertreter von Union, SPD und FDP im Dezember 1992 auf eine sog. „Neuregelung des Asylrechts“, die dann im Mai 1993 mit der für eine Grundgesetzänderung notwendigen 2/3-Mehrheit vom Bundestag beschlossen wurde. Nolens volens beugten sie sich damit dem rechtsradikalen Narrativ vom „vollen Boot“ und „Asylmissbrauch“ und verstärkten es dadurch.*) Nur drei Tage später, am 29. Mai 1993, starben fünf Menschen türkischer Abstammung bei einem rechtsradikalen Brandanschlag in Solingen.

Heute – 30 Jahre später – wiederholt sich dieser Mechanismus, allerdings unter schlimmeren Rahmenbedingungen: Eine etablierte rechtsradikale Partei bestimmt nun die Debatte und die Tonalität, alle drei Regierungsparteien sind offenkundig bereit, sich in diesem Rahmen zu bewegen und suchen die Übereinstimmung mit einer an diesem Punkt zur AfD hin offenen CDU/CSU. Da kann einem nur angst und bange werden, denn allen ist klar: Es ist ein reines Sichbeugen vor dem rechtsradikalen Narrativ von der „ungeregelten Migration“ und damit dessen Übernahme. Die jetzt zur Beschlussfassung stehenden und von der Regierungskoalition markig vertretenen Änderungen betreffen nur einen Randaspekt der Migration. Sie dokumentieren aber die Bereitschaft,  dem rechten Druck nachzugeben und erzeugen darin ihre schlimme Wirkung. Was allein das im Konkreten schon jetzt für die bedeutet, die als Schwächste auf eine menschenrechtlich basierte Politik angewiesen sind, zeigt neben aller sprachlichen Verrohung und zunehmenden Anschlägen dieser aktuelle Vorgang.

Der wesentliche Effekt dieser ganzen Entwicklung wird also darin bestehen, dass das rechtsradikale Narrativ verstärkt wird und sich die Spirale einer grund- und menschenrechtlich fundierten Politik weiter abwärts drehen wird.

Es gibt dazu einen sehr guten Kommentar von Max Bauer aus der ARD-Rechtsredaktion, den zu lesen ich sehr empfehle.

 

*) Kleine Anmerkung am Rande: Aus den Kirchen gab es seinerzeit viele und eindeutige Stimmen, Stellungnahmen und Beschlüsse gegen die geplante Änderung des Asylrechts. Der Rat der Ev. Kirche in Deutschland votierte am Ende jedoch anders. Die Politik wird verstanden haben, dass von dieser Institition keine Gefahr für ihr Vorhaben ausgehen würde.

 

 

 

Bildquellen

  • barbed-wire-1199172_1280: Thomas Meier from Pixabay

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